Mitteilungsblatt_04_2023

Zentrum Bayern Familie und Soziales Bayerisches Landesjugendamt BLATT 04 THEMA 02 Ergebnisse der Befragung von Jugendhilfeplanungsfachkräften in Bayern im Jahr 2023 BERICHTE 11 Regionalkonferenzen für ASD-Leitungen 2023 14 JaS-Fachtag 2023 15 Rückblick auf die Jugend- schutzfachtagung 2023 18 Rückblick auf die ConSozial 2023 22 Ifb: Festakt und Fortbildungs- tag 2023 für Fachkräfte der Eltern- und Familienbildung Info 26 Kurzanalyse zu den vom Bayerischen Landesamt für Statistik im November 2023 veröffentlichten Daten der HZE-Statistik für das Jahr 2022 29 Garantenstellung – Strafrechtliche Verantwortung!? 32 Umsetzung des § 31a Abs. 2 SGB III (sog. „Schülerdatennorm“) – Pilotprojekt an oberfränkischen Jugendämtern 33 Hinweis zur Anwendung der Sozialpädagogischen Diagnosetabellen 35 Personalia 35 Zu guter Letzt 2023

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 2 JUGENDHILFEPLANUNG Vorbemerkung Jugendhilfeplanung ist eine in § 80 SGB VIII definierte Pflichtaufgabe der öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Sie ist ein zentrales steuerungsunterstützendes Instrument zur systematischen und beteiligungsorientierten Entwicklung der Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe. Um ein genaueres Bild über die aktuelle Situation und die Handlungspraxis der Jugendhilfeplanungsfachkräfte in Bayern zu erhalten, hat das ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt im April 2023 eine Online-Befragung der bayerischen Jugendhilfeplanungsfachkräfte durchgeführt. Hinter der Befragung steht die Grundannahme, dass Jugendhilfeplanung nicht nur aus der konkreten Arbeit der Jugendhilfeplanungsfachkraft besteht. Bei dieser liegt zwar meist die Verantwortlichkeit für die Koordination und operative Umsetzung der Planung. Die Gesamtplanung hingegen ist ein kontinuierlicher Prozess, aus dem sich verschiedene Querschnittsaufgaben für das gesamte Jugendamt ergeben. Beides benötigt (politische) Legitimation, ausreichend Ressourcen und funktionsfähige Strukturen. Kernziel der Befragung war es daher, zu überprüfen, ob und in welchem Maße diese drei Aspekte in der Planungsrealität in Bayern erfüllt sind. In diesem Beitrag werden ausgewählte Ergebnisse vorgestellt und kommentiert. Der ausführliche Bericht wird auf der Internetseite des ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt im Bereich Jugendhilfeplanung veröffentlicht: https://bit.ly/41iEiLZ Zum Hintergrund der Befragung Über das Arbeitsfeld „Jugendhilfeplanung“ liegen nur wenige landes-/bundesweite Studien oder wissenschaftliche Befassungen vor. Die derzeit aktuellste und detaillierteste Befassung erfolgte im Rahmen der ISA Studie „Jugendhilfeplanung in Deutschland“ und wurde 2023 veröffentlicht. In dieser, von Oettler/Pudelko herausgegebenen, Studie wird konstatiert, dass sich bislang keine allgemeinen konzeptionellen und strukturellen Standards gebildet haben (vgl. Oettler/Pudelko 2023: 20). In Bayern fand zuletzt im Jahr 2018 eine Befragung unter Planungsfachkräften statt. Eine Neuauflage schien insbesondere aus den folgenden Gründen erforderlich: • In den letzten drei Jahren sind sehr viele Stellen für Jugendhilfeplanungsfachkräfte neu besetzt worden. Diese Neubesetzungen sind zum einen Ausdruck eines Generationenwechsels, zum anderen aber auch auf einen häufigeren Wechsel der Stelleninhaberinnen und Stelleninhaber zurückzuführen. • Der Umfang und die Komplexität der Planungsaufgaben haben durch das Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz (KJSG) noch einmal zugenommen. Zu nennen ist hier insbesondere die Verankerung des Leitbilds Inklusion – auch in der Jugendhilfeplanung – (einschließlich der Zielvorgabe der gemeinsamen Förderung von jungen Menschen mit (drohenden) Behinderungen und jungen Menschen ohne Behinderung), sowie die Zielsetzung, niedrigschwellige Zugänge zu schaffen und ein Zusammenwirken der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen sicherzustellen. ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG VON JUGENDHILFEPLANUNGSFACHKRÄFTEN IN BAYERN IM JAHR 2023 T H EMA „Jugendhilfeplanung trotz(t) Krise – Profilschärfung der Jugendhilfeplanung im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit“. Dies war nicht nur das Motto der Jahrestagung Jugendhilfeplanung 2023. Der Abgleich von Anspruch und Wirklichkeit war auch ein Ziel der in diesem Jahr durchgeführten Befragung der bayerischen Jugendhilfeplanungsfachkräfte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Planungsrealität vor Ort nicht überall den gesetzlichen Vorgaben hinreichend gerecht wird. Ob und wie Jugendhilfeplanung unter diesen Bedingungen als „Entwicklungsmotor“ im Jugendamt eingesetzt werden kann, bleibt weiter zu diskutieren.

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 3 • Die Diskussion um eine Profilschärfung der Jugendhilfeplanung wird seit Beginn des SGB-VIII-Reform- prozesses wieder verstärkt geführt. Damit wurde erneut eine Debatte angestoßen, welche das Bundesjugendkuratorium bereits im Jahr 2012 mit Blick auf die Vielfalt der Planungsherausforderungen und der Forderung nach einer „Neuaktivierung und Profilierung der Jugendhilfeplanung“ angeregt hatte (vgl. BjK 2012: 12). Insgesamt konnten 74 ausgefüllte Fragebögen in der Auswertung berücksichtigt werden. Davon haben 57 Befragte (= 77 %) angegeben, Jugendhilfeplanungsfachkraft in einem Landkreis und 17 Befragte (= 23 %), Planungsfachkraft in einer kreisfreien Stadt zu sein. Zum Profil der Jugendhilfeplanungsfachkräfte In der Fachliteratur herrscht Einigkeit darüber, dass sich der Aufgabe ‚Jugendhilfeplanung‘ das gesamte Jugendamt zu stellen hat. Anders gesagt: Jugendhilfeplanung ist mehr als die Tätigkeit der Fachkraft.1 Auch wenn es sich um eine Querschnittsaufgabe im Jugendamt handelt, braucht es klare Verantwortlichkeiten und benannte Ansprechpersonen, welche die Umsetzung der Planung – in der Regel in einer Matrixorganisation2 – koordinieren und gewährleisten können. Das heißt, es braucht mit zeitlichen und sachlichen Ressourcen ausgestattetes Personal, um Planungsprozesse inhaltlich und organisatorisch vorzubereiten und zu unterstützen. Nach Merchel benötigen Planungsfachkräfte dafür ein sehr breites Kompetenzprofil, welches nur auf der Grundlage einer umfassenden Berufserfahrung in der Kinder- und Jugendhilfe erworben werden kann (vgl. Merchel 2016: 140). Tatsächlich zeigen jedoch die Befragungsergebnisse, dass 43,5 % der befragten Planungsfachkräfte vorher nicht im Jugendamt tätig waren. Darüber hinaus ist das Arbeitsfeld von einer hohen Fluktuation geprägt. Gut die Hälfte der Befragten arbeitet weniger als drei Jahre in diesem Arbeitsbereich. Für das ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt spiegelt sich dies sowohl im Fortbildungsbedarf als auch im thematischen Austausch wider. In beiden Formaten hat die Basisqualifizierung an Bedeutung gewonnen. Verteilung der Antworten auf die Frage „Wie lange arbeiten Sie bereits als Jugendhilfeplanungsfachkraft?“ Ressourcenausstattung und Stellenbesetzung Um ein genaueres Bild von den Rahmenbedingungen der Jugendhilfeplanung zu bekommen, sollten die Befragten folgende Angaben machen: Zeitliche Ressourcen, externe Unterstützung, Zuständigkeiten, Verortung der Stelle und gegebenenfalls weitere Aufgaben im Jugendamt. Dabei wird deutlich, dass sich die konkrete Ausgestaltung der Planungstätigkeit in Bayern sehr unterschiedlich gestaltet. Vergleichsweise viele Fachkräfte bewerten die vorhandenen zeitlichen Ressourcen als „mangelhaft“ oder „ungenügend“. Umgekehrt vergeben weniger als ein Viertel der Befragten die Note „sehr gut“ oder „gut“. Insgesamt ergibt sich bei der Bewertung der zeitlichen Ressourcen die Note 3,6. Knapp zwei Drittel der Befragten geben an, für alle Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe planerisch zuständig zu sein. Mehrheitlich gibt es mittlerweile in den Jugendämtern auch eigene Stellen für das Finanz- und/ oder Fachcontrolling. Gut zwei Drittel der Planungsfachkräfte sind – wie in der Fachliteratur empfohlen – als T H EMA 1 Vgl. auch Kunkel et al., LPK-SGB VIII, § 80 Rn 22-23; Merchel 2016: 155; Schön 2022: in Wiesner et al., Kinder- und Jugendhilfe, Rn 36. 2 Eine Matrixorganisation ist eine mehrdimensionale Organisationsstruktur, bei der Aufgaben auf mehrere Abteilungen, Teams oder Mitarbeitende verteilt sind. Konkret: Die Jugendhilfeplanung verläuft „quer“ zur eigentlichen Linienorganisation, um zu gewährleisten, dass unterschiedliche Interessen und Anliegen im Planungsprozess berücksichtigt werden. Abbildung 2: Eigene Berechnung und Darstellung. Quelle: Befragung der bayerischen Jugendhilfeplanungsfachkräfte. weniger als 1 Jahr 22,6 % 1 bis unter 3 Jahren 29,0 % 3 bis unter 5 Jahren 8,1 % 5 bis unter 10 Jahren 17,7 % 10 Jahre oder länger 22,6 % Wie lange arbeiten Sie bereits als Jugendhilfeplanungsfachkraft? (N=62) 8,6 % 28,6 % 38,6 % 12,9 % sehr gut gut befriedigend ausreichend ma Wie bewerten Sie alles in allem die Rahmenbedingungen für die Jugendhilfeplanung in Ihrem Jugendamt? (N=72) Abbildung 1: Eigene Berechnung und Darstellung. Quelle: Befragung der bayerischen Jugendhilfeplanungsfachkräfte 2023.

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 4 T H EMA Stabsstelle auf der Leitungsebene angesiedelt. Auffällig ist, dass knapp 60 % der Befragten neben ihrer Stelle als Planungsfachkraft noch weitere Funktionen im Jugendamt ausüben – in zehn Fällen ist die Stelle gekoppelt mit der stellvertretenden Jugendamtsleitung. Gut die Hälfte der Befragten arbeitet mit externen Instituten zusammen. Alles in allem werden die Rahmenbedingungen für Jugendhilfeplanung mit der Durchschnittsnote 2,7 bewertet. Verteilung der Antworten auf die Frage „Wie be- werten Sie alles in allem die Rahmenbedingungen für die Jugendhilfeplanung in Ihrem Jugendamt?“ Auffällig ist ein Zusammenhang zwischen der Bewertung der zeitlichen Ressourcen und der Benotung der Rahmenbedingungen insgesamt. Es kann gezeigt werden, dass ein Mehr an zeitlichen Ressourcen die positive Sicht der Planungsfachkräfte auf die Rahmenbedingungen verstärkt. Legitimation: Zur Rolle des Jugendhilfeausschusses im Rahmen der Jugendhilfeplanung Nach § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII gehört die Jugendhilfe- planung zu den zentralen Aufgaben des Jugendhilfeausschusses. Im aktuellen Lehr- und Praxiskommentar von Kunkel (u. a.) wird eine Jugendhilfeplanung, die ohne Beteiligung des Jugendhilfeausschusses erfolgt, als rechtswidrig bezeichnet (vgl. Wabnitz 2022, in: Kunkel et al., LPK-SGB VIII, § 80 Rn 21). Dabei bleibt zwar offen, was als ausreichende „Beteiligung“ gesehen werden kann. Jedoch: Dass der Jugendhilfeausschuss diese Aufgabe häufig nur unzureichend wahrnimmt, wird in der Fachliteratur immer wieder beklagt und auch die bayerischen Befragungsergebnisse bestätigen dies. Jugendhilfeplanung muss politisch legitimiert sein und vom Jugendhilfeausschuss eingefordert werden (vgl. AGJ 2015: 3). Dies setzt einen Grundsatzbeschluss und damit einen expliziten Auftrag bzw. eine Grundausrichtung der Jugendhilfeplanung voraus. Tatsächlich geben jedoch nur knapp die Hälfte der Befragten an, dass es einen solchen Grundsatzbeschluss gibt. Zudem erhalten lediglich 47 % der Befragten überhaupt konkrete Aufträge vom Jugendhilfeausschuss. Zwar geben die Befragten mehrheitlich an, Planungsergebnisse im Ausschuss vorzustellen, jedoch spielt in knapp jedem zehnten Jugendamtsbezirk der Jugendhilfeausschuss im Rahmen der Planung offenbar gar keine Rolle – weder werden hier Planungsaufträge erteilt noch Planungsergebnisse präsentiert. Bemerkenswert erscheint aufgrund obiger Befunde, dass jeweils eine Mehrheit der Befragten sowohl mit dem Interesse, welches die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses den Planungsergebnissen entgegenbringen, als auch mit der Bedeutung, die vom Ausschuss der Planung beigemessen wird, und der Rolle, die der Ausschuss im Rahmen der Jugendhilfeplanung einnimmt, eher bzw. sehr zufrieden ist. Allerdings: Diese Angaben zur Zufriedenheit stehen in einem deutlichen Zusammenhang mit den Angaben zum Vorhandensein von Grundsatzbeschlüssen und Planungsaufträgen bzw. der Möglichkeit, Planungsergebnisse im Jugendhilfeausschuss vorzustellen. Ein Mittelwertvergleich macht deutlich, dass die Zufriedenheit der Befragten mit den einzelnen Aussagen signifikant höher ist, wenn • es einen Grundsatzbeschluss des Jugendhilfeausschusses zur Durchführung der Planung gibt, • der Jugendhilfeausschuss Planungsaufträge erteilt, • Planungsergebnisse im Jugendhilfeausschuss vorgestellt und diskutiert werden. Insgesamt zeigt sich auch für Bayern, was im Rahmen der deutschlandweiten Studie festgestellt wurde: Die Rolle des Jugendhilfeausschusses im Rahmen der Planung bleibt vielerorts undefiniert und profillos (vgl. Oettler/Pudelko 2023: 114). „Damit fehlt der Planungspraxis häufig der grundlegende politische Auftrag und von einer systematischen und transparenten Entwicklung der Infrastruktur kann nicht ausgegangen werden“ 1 Abbildung 2: Eigene Berechnung und Darstellung. Quelle: Befragung der bayerischen Jugendhilfeplanungsfachkräfte. weniger als 1 Jahr 22,6 % 1 bis unter 3 Jahren 29,0 % 3 bis unter 5 Jahren 8,1 % 5 bis unter 10 Jahren 17,7 % 10 Jahre oder länger 22,6 % Wie lange arbeiten Sie bereits als Jugendhilfeplanungsfachkraft? (N=62) 8,6 % 28,6 % 38,6 % 12,9 % 11,4 % sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft Wie bewerten Sie alles in allem die Rahmenbedingungen für die Jugendhilfeplanung in Ihrem Jugendamt? (N=72) Abbildung 2: Eigene Berechnung und Darstellung. Quelle: Befragung der bayerischen Jugendhilfeplanungsfachkräfte 2023.

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 5 T H EMA (Oettler/Pudelko 2023: 114). Das ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt unterstützt hier, indem der Themenkomplex Jugendhilfeplanung sowohl fester Bestandteil des Fortbildungsangebots für Jugendhilfeausschussmitglieder ist, als auch die Rolle des Jugendhilfeausschusses als Querschnittsthema in den Angeboten für die Planungsfachkräfte immer berücksichtigt wird. Funktionsfähige Strukturen: Vorhandensein einer Planungskonzeption „Damit Jugendhilfeplanung ihre Steuerungsfunktion entfalten kann, braucht es eine »Planung der Planung«, also eine Beschreibung der Zielsetzung, der Organisation, des methodischen Vorgehens und der Beteiligten am Planungsprozess“ (Oettler/Pudelko 2023: 49). Tatsächlich jedoch – so zeigt die folgende Grafik – verfügen 56 % der befragten Planungsfachkräfte über keine schriftliche Planungskonzeption als Grundlage für die Jugendhilfeplanung. Verteilung der Antworten auf die Frage „Gibt es eine schriftliche Planungskonzeption als Grundlage der JHP?“ Bringt man die Zufriedenheit mit den Rahmenbedingungen insgesamt in Zusammenhang mit den Angaben zur Frage nach dem Vorhandensein einer schriftlichen Planungskonzeption als Grundlage für die Jugendhilfeplanung, zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang: • Bei den Befragten, in deren Jugendamtsbezirk eine schriftliche Planungskonzeption vorhanden ist, ergibt sich hinsichtlich der Zufriedenheit mit den Rahmenbedingungen die Durchschnittsnote 2,65. • Bei den Befragten, in deren Jugendamtsbezirk keine schriftliche Planungskonzeption vorhanden ist, ergibt sich hinsichtlich der Zufriedenheit mit den Rahmenbedingungen die Durchschnittsnote 3,21. Das Fehlen konzeptioneller Grundlagen birgt vor allem aber auch die Gefahr der Beliebigkeit und einer fehlenden Kontinuität. Insbesondere mit Blick auf den eingangs erwähnten Generationen- und häufigen Personalwechsel bei den bayerischen Planungsfachkräften, gewinnt das Thema Wissensmanagement an Bedeutung. Dass eine Planung „ohne Plan“ gerade Neueinsteigerinnen und Neueinsteigern häufig Probleme bereitet, sich im neuen Aufgabengebiet zurechtzufinden, wird regelmäßig deutlich im Grundlagenkurs für Planungsfachkräfte des ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt. Wenn Jugendhilfeplanung zu einem hohen Anteil auf Erfahrungswissen von Fachkräften beruht, welches nicht konzeptionell gesichert ist, riskiert man, dass etablierte Planungs- und Kommunikationsstrukturen nach einem Personalwechsel verloren gehen und immer wieder neu erarbeitet werden müssen. Planung darf kein Selbstzweck sein – Zur Erfüllung des gesetzlich definierten Auftrags zur Jugendhilfeplanung nach § 80 SGB VIII Zum Einfluss der Jugendhilfeplanung auf kommunale Entscheidungen Immer wieder wird die Frage nach der Verbindlichkeit und dem möglichen Einfluss von Jugendhilfeplanungsprozessen gestellt. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass der Einfluss der Planungsergebnisse in den Kommunen sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Gut ein Drittel der Befragten vertritt die Ansicht, dass Jugendhilfeplanung (sehr) starken Einfluss auf Entscheidungen im Jugendamt hat, 53 % sehen hier zumindest teilweisen Einfluss. Andererseits: Acht Befragte sind der Meinung, dass die Planungstätigkeit kaum oder keine Relevanz hat im Jugendamt, d. h. hier kann Jugendhilfeplanung ihrem Auftrag als strategisches Steuerungsinstrument zur bedarfsgerechten Gestaltung der Kinder- und Jugendhilfe nicht gerecht werden. Wieder fällt auf, dass es sich hier überproportional häufig um Befragte handelt, die unzufrieden sind mit den Rahmenbedingungen für die Jugendhilfeplanung, vergleichsweise unzufriedener sind mit der Unterstützung im Jugendamt sowie mit der Rolle, die der Jugendhilfeausschuss im Planungsgeschehen spielt. Verteilung der Antworten auf die Frage „Gibt es eine schriftliche Planungskonzeption als Grundlage der JHP?“ Abbildung 3: Eigene Berechnung und Darstellung. Quelle: Befragung der bayerischen Jugendhilfeplanungsfachkräfte. ja; 39,0 % nein; 56,0 % weiß ich nicht; 5,1 % Gibt es eine schriftliche Planungskonzeption als Grundlage der JHPL (eine "Planung der Planung)? (n = 59) Abbildung 3: Eigene Berechnung und Darstellung. Quelle: Befragung der bayerischen Jugendhilfeplanungsfachkräfte 2023.

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 6 T H EMA Ein starker Einfluss auf Entscheidungen im Landratsamt bzw. in der Stadtverwaltung wird der Jugendhilfeplanung nur von einer kleinen Minderheit attestiert. Mehrheitlich (57,1 % der Befragten) wird hier ein teilweiser Einfluss unterstellt, während knapp 40 % kaum oder keinen Einfluss auf die Kommunalverwaltung erkennen können. Ähnlich verhält es sich in Landkreisen bei der Frage nach dem Einfluss der Planungen auf Entscheidungen in den kreisangehörigen Gemeinden. Dieses Ergebnis ist erstaunlich, wenn man bedenkt, welche Relevanz die Kindertagesstättenbedarfsplanung und die Ganztagsplanung im Arbeitsalltag der Jugendhilfeplanungsfachkräfte einnehmen. In der nachfolgenden Grafik ist dargestellt, welche Priorität die einzelnen Planungsbereiche-/themen in der Jugendhilfeplanung einnehmen. Augenfällig beschäftigen sich die meisten bayerischen Fachkräfte aktuell prioritär mit dem Thema „Ganztägige Förderung von Kindern im Grundschulalter“, gefolgt von der „Förderung von Kindern im Alter von 3 Jahren bis zum Schuleintritt“ und der „Förderung von U3 Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege“. Offenbar gilt also immer noch, was das Bundesjugendkuratorium schon im Jahr 2012, als der Rechtsanspruch für die U3 Kinder im Raum stand, problematisiert hatte: Der Bereich Tagesbetreuung/Tageseinrichtungen bestimmt den Arbeitsalltag vieler Planungsfachkräfte (vgl. BJK 2012: 35). Auch der Befund des BJK aus dem Jahr 2012, dass in diesen Planungen fast ausschließlich quantitative Aspekte im Mittelpunkt stehen bzw. dass eine auf die qualitative Weiterentwicklung bezogene Planung kaum erkennbar ist (vgl. BJK 2012: 35f.), wird in den fachlichen Austauschgesprächen des ZBFS-Bayerisches Landes- jugendamt mit Planungsfachkräften häufig bestätigt. Gerade dieser Planungsbereich zeigt, dass es oft an (politischer) Legitimation und tragfähigen Strukturen zu fehlen scheint. In der Konsequenz kann dies zur Folge haben, dass Planungsfachkräfte zwar mit großem Aufwand Erhebungen oder Berechnungen in diesem Bereich durchführen, dennoch aber nicht die Planungsverpflichtung nach § 80 SGB VIII erfüllen. Dies spiegelt sich nicht nur in den Aussagen, dass seitens der Gemeinden notwendige Planungsdaten nicht, oder nur nach mehrfacher Nachfrage zur Verfügung gestellt werden. Erfahrungsgemäß bergen fehlende (politische) Aufträge und Beschlüsse und fehlende Kooperationsvereinbarungen auch die Gefahr, dass Jugendhilfeplanungsergebnisse keinerlei oder kaum Auswirkungen auf die Platzstruktur vor Ort haben. Mit „Auswirkungen auf die Platzstruktur“ ist dabei nicht nur die Anzahl der Plätze, sondern auch deren qualitative Abbildung 4: Eigene Berechnung und Darstellung. Quelle: Befragung der bayerischen Jugendhilfeplanungsfachkräfte 2023.

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 7 T H EMA Ausrichtung gemeint. Hierfür müssen nicht nur die im nächsten Abschnitt näher betrachteten Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und deren Eltern berücksichtigt werden, sondern auch die strategischen Ziele der Jugendhilfeplanung. Diese können zum einen aus den Vorgaben des SGB VIII und zum anderen aus den örtlich definierten (strategischen) Zielen der Jugendhilfeplanung abgeleitet werden. Im Bereich der Kindertagesstätten- und Ganztagsplanung wird in den Austauschformaten des ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt immer wieder deutlich, dass z. B. die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit (drohender) Behinderung in den Planungen oft keine Rolle spielen. Dies ist unvereinbar mit dem in § 80 Absatz 2 SGB VIII definierten Auftrag, Einrichtungen und Dienste so zu planen, dass junge Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte junge Menschen mit jungen Menschen ohne Behinderung gemeinsam unter Berücksichtigung spezifischer Bedarfslagen gefördert werden. Aus dem Leitbild Inklusion können zudem natürlich noch weitere Planungsziele abgeleitet werden. Erfüllung des gesetzlichen Auftrags zur Beteiligung Die Befragungsergebnisse liefern an mehreren Stellen Hinweise darauf, dass Planungen teils zum „Selbstzweck“ werden. Das heißt, dass Planungen zwar durchgeführt werden, aber zu keinerlei Veränderung in der Jugendhilfelandschaft führen. Die Gründe hierfür können sehr unterschiedlich sein: Zum einen zeigt der Austausch mit Fachkräften, dass Planungen teils nach der quantitativen Datenerhebung und gegebenenfalls Interpretation durch die Fachkraft enden. Zum anderen scheint oft die Legitimation für Planungsprozesse zu fehlen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die fehlende Beteiligung des Jugendhilfeausschusses als auch – so zeigen die Befragungsergebnisse – im Hinblick auf den gesetzlich vorgeschriebenen Einbezug der Betroffenen und der Schnittstellen. Jugendhilfeplanung mit der reinen Erhebung und ggf. Teilinterpretation quantitativer Daten gleichzusetzten, steht im Widerspruch zu der in der Fachwelt weitgehend einheitlich vertretenen Haltung, dass die Bedarfsermittlung im Rahmen der Jugendhilfeplanung ein komplexer Aushandlungsprozess zwischen verschiedenen Anliegen und Interessen ist, die transparent gemacht werden müssen. Bedarfsgerechtigkeit erfordert, die Adressatensicht in ausreichender Art und Weise im Planungsprozess zu berücksichtigen. Hierzu werden Beteiligungsprozesse zur Bedarfsermittlung benötigt. Gemäß der gesetzlichen (Planungs-) Grundlagen sind sowohl die Betroffenen selbst, als auch die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe frühzeitig zu beteiligen. Dies beinhaltet auch Netzwerkarbeit und umfassende Interaktionsprozesse. Erst das Ergebnis dieser Aushandlungsprozesse liefert die Grundlage für konsensfähige Handlungsempfehlungen. Die Befragungsergebnisse zeigen ein heterogenes Bild hinsichtlich der Beteiligung an Jugendhilfeplanungsprozessen: Insbesondere Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern, Jugendlichen und Erziehungsberechtigten werden aus Sicht der Planungsfachkräfte vielerorts als nicht ausreichend erachtet. Am häufigsten werden Fachkräften aus den Jugendämtern ausreichend Beteiligungsmöglichkeiten bescheinigt. Sowohl bei Fachkräften aus dem Jugendamt als auch bei pädagogischen Fachkräften freier Träger ist davon auszugehen, dass diese als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren indirekt die Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Erziehungsberechtigten in den Planungsprozess einbringen und damit eine mittelbare Beteiligung von Adressatinnen und Adressaten erfolgt. Auch wenn Oettler/Pudelko einen Beteiligungsprozess, in dem über Adressatinnen und Adressaten lediglich aus Sicht von Expertinnen und Experten gesprochen wird, als unzureichend bewerten (vgl. Oettler/Pudelko 2023: 171f.) müssen hier Planungsressourcen und Erfolgsaussichten in Bezug gesetzt werden. Nichtsdestotrotz: Gut 70 % der Planungsfachkräfte stimmen (teilweise) der Aussage zu, dass im Hinblick auf Beteiligung eine Diskrepanz zwischen dem fachlichen und gesetzlichen Anspruch besteht. Oettler/Pudelko formulieren zum Thema Beteiligung/ Partizipation in der bundesweiten Erhebung „einen Auftrag an die Wissenschaft, Beteiligungsprozesse in der Praxis zu evaluieren und dabei nicht nur gelingende Faktoren herauszuarbeiten, sondern auch zu untersuchen, aus welchen Gründen Beteiligung scheitert“ (Oettler/ Pudelko 2023: 175).

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 8 T H EMA Berücksichtigung der Zielvorgaben des SGB VIII in der Jugendhilfeplanung Abgefragt wurde in der bayerischen Befragung außerdem, welche Priorität die Standards bzw. Zielvorgaben, die in § 80 SGB VIII festgelegt sind, im Rahmen der Planungstätigkeit spielen. Nachfolgende Tabelle fasst die Ergebnisse zusammen: Zusammenfassung der Antworten auf die Frage „Welche Priorität haben die folgenden im SGB VIII geforderten Standards im Rahmen Ihrer Planungstätigkeit?“ Alles in allem zeigen die Rückmeldungen, dass die gesetzlich definierten Handlungsmaximen im Planungsalltag bei einem Teil der Jugendämter eine untergeordnete Rolle spielen. Immerhin sehen jeweils zwischen einem Fünftel und gut einem Drittel der Befragten in den einzelnen Standards keine bzw. nur eine geringe Relevanz für ihre Planungstätigkeit. Auffällig ist – dies zeigt ein Mittelwertvergleich – dass jene Jugendämter, die über eine Planungskonzeption bzw. über eine Planung der Planung verfügen, nahezu durchgängig den aufgeführten Handlungsmaximen eine (zum Teil deutlich) höhere Priorität in der Planungspraxis einräumen. Insbesondere auch im Hinblick auf die in der Fachliteratur diagnostizierte Profilerosion in der Jugendhilfeplanung erscheint eine stärkere Orientierung bzw. Rückbesinnung auf gesetzlich vorgegebene Handlungsmaximen ratsam. Selbiges gilt für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags. Britta Tammen schreibt hierzu im Frankfurter Kommentar sehr deutlich, dass „jede Planung [...] mindestens die in Abs. 2 genannten Kriterien nachvollziehbar zu berücksichtigen (hat), weil sonst die nach § 80 vorgegebenen Planungsverpflichtungen nicht eingelöst werden“ (vgl. Tammen 2022, in: Münder et al., FK-SGB VIII, § 80 Rn 14). Diese Forderung steht in einem eklatanten Widerspruch zu der geringen Priorität, die diese Kriterien vielerorts in der Planung einzunehmen scheinen. Zusammenfassung der Antworten auf die Frage „Welche Priorität haben die folgenden im SGB VIII geforderten Standards im Rahmen Ihrer Planungstätigkeit?“ Welche Priorität haben die folgenden im SGB VIII geforderten Standards im Rahmen Ihrer Planungstätigkeit? Keine Priorität 2 3 4 5 6 Sehr hohe Priorität GESAMT Ein möglichst wirksames Angebot von Jugendhilfeleistungen wird gewährleistet. 2,1 % 6,3 % 12,5 % 18,8 % 18,8 % 25,0 % 16,7 % 48 Es wird zu einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit beigetragen. 8,7 % 2,2 % 8,7 % 21,7 % 23,9 % 23,9 % 10,9 % 46 Ein möglichst inklusives Angebot von Jugendhilfeleistungen wird gewährleistet. 6,5 % 8,7 % 15,2 % 17,4 % 21,7 % 17,4 % 13,0 % 46 Ein möglichst aufeinander abgestimmtes Angebot von Jugendhilfeleistungen wird gewährleistet. 6,4 % 8,5 % 12,8 % 23,4 % 23,4 % 17,0 % 8,5 % 47 Ein möglichst vielfältiges Angebot von Jugendhilfeleistungen wird gewährleistet. 6,4 % 6,4 % 14,9 % 23,4 % 27,7 % 12,8 % 8,5 % 47 Es wird zu einer individuellen Förderung von jungen Menschen mit (drohender) Behinderung beigetragen. 13,0 % 13,0 % 10,9 % 19,6 % 19,6 % 21,7 % 2,2 % 46 Kontakte in der Familie und im sozialen Umfeld können erhalten und gepflegt werden. 11,1 % 11,1 % 13,3 % 17,8 % 26,7 % 15,6 % 4,4 % 45 Das Zusammenwirken der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien wird sichergestellt. 12,8 % 10,6 % 14,9 % 17,0 % 23,4 % 19,1 % 2,1 % 47 Es wird dazu beigetragen, dass junge Menschen mit und ohne (drohender) Behinderung gemeinsam gefördert werden können. 10,6 % 14,9 % 10,6 % 12,8 % 21,3 % 21,3 % 8,5 % 47 Es wird dazu beigetragen, dass junge Menschen und Familien in gefährdeten Lebens- und Wohnbereichen besonders gefördert werden. 14,6 % 12,5 % 14,6 % 27,1 % 16,7 % 8,3 % 6,3 % 48 Jugendhilfeplanung als mehrstufiges Verfahren Abbildung 5: Eigene Berechnung und Darstellung. Quelle: Befragung der bayerischen Jugendhilfeplanungsfachkräfte 2023.

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 9 T H EMA Fazit In der Jugendhilfeplanung gab es in den letzten Jahren einen deutlichen Komplexitätszuwachs, unter anderem durch Ergänzungen in § 80 Abs. 2 SGB VIII. Ein Ziel der Befragung von bayerischen Jugendhilfeplanungsfachkräften war es daher, einen Abgleich zwischen den gesetzlich definierten Anforderungen an die Jugendhilfeplanung und der kommunalen Planungsrealität vorzunehmen. Der Befragung vorangegangen waren verschiedene fachliche Auseinandersetzungen mit der Fragestellung, welche (neuen) Herausforderungen sich durch die SGB-VIII-Reform für die Jugendhilfeplanung ergeben. Unter anderem besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der beschriebene Komplexitätszuwachs die Planungsfachkräfte nicht nur vor neue operative Herausforderungen stellt, sondern gleichzeitig die Notwendigkeit eines an diese Herausforderungen angepassten Planungsverständnisses besteht. Ein Schwerpunkt der letzten beiden Jahrestagungen für Jugendhilfeplanungsfachkräfte in Bayern war daher auch die Frage, wie und wo agile und integrierte Planungsprozesse implementiert werden können und müssen, um auf die immer komplexeren Planungsanforderungen adäquat reagieren zu können. Aktuell steht zudem die Frage im Raum, wie die Methoden und Werkzeuge der Bedarfsermittlung angepasst und verändert werden müssen, um dem Ziel einer inklusiv ausgerichteten Jugendhilfeplanung gerecht zu werden. Eingangs wurde bereits darauf verwiesen, dass Jugendhilfeplanung eine Querschnittsaufgabe im Jugendamt ist, welche nicht ausschließlich durch die Planungsfachkraft erfüllt werden kann. Schön (2022) beschreibt Jugendhilfeplanung dabei als ein „mehrstufiges Verfahren“, bei dem die unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure gemäß ihrer formalen Funktion klare Zuständigkeiten im Planungsprozess haben. In der nachfolgenden Darstellung ist dieses mehrstufige Verfahren bildlich dargestellt. Jugendhilfeplanung als mehrstufiges Verfahren Die Befragungsergebnisse zeigen, dass vielerorts ein Zusammenwirken zwischen dem Jugendhilfeausschuss und der Planungsfachkraft bzw. weiterer Gremien strukturell nicht ausreichend verankert ist. Dass angesichts der enormen Komplexität des Aufgabenfeldes häufig „ohne Plan“ und damit ohne festgelegte Ziele geplant wird, stellt aus Sicht von Oettler/ Pudelko einen „Risikofaktor“ und einen eigentlich „unhaltbaren Zustand“ dar (vgl. Oettler/Pudelko 2023: 174). Auch die vorliegenden Ergebnisse aus Bayern unterstreichen die Bedeutung von, durch politische Beschlüsse legitimierten, Planungskonzeptionen, welche sicherstellen, dass die vor Ort zu bearbeitenden Planungsaufgaben auf Basis des gesetzlichen Auftrags erfüllt werden. Im Rahmen einer solchen Konzeption kann sowohl die Struktur von Planungsprozessen, als auch deren Zielsetzung und Inhalt festgelegt werden. Für den Arbeitsbereich der Planungsfachkräfte bleibt zudem festzuhalten, dass die Befragungsergebnisse einen signifikanten Zusammenhang zwischen den vorhandenen (insbesondere zeitlichen) Ressourcen und Rahmenbedingungen der Planungsfachkräfte auf der einen Seite und einer qualitativ und quantitativ zufriedenstellenden Aufgabenerfüllung auf der anderen Seite aufzeigen. Anders ausgedrückt: „Eine sachgerechte Wahrnehmung der Aufgabe setzt voraus, dass hierfür in ausreichendem Umfang qualifiziertes Fachpersonal mit einer angemessenen Eingruppierung sowie eine angemessene Sachmittelausstattung in erforderlichem Umfang zur Verfügung steht“ (Tammen 2022, in: Münder et al., FK-SGB VIII, § 80 Rn 3). Was dabei als sachgerecht, ausreichend und angemessen gesehen wird, hängt immer auch sowohl von der Planungskonzeption und damit den Aufträgen für Planungsfachkräfte als auch von der jeweiligen OrganiPlanungsauftrag durch den JHA - Weichenstellende Grundsatzentscheidungen. -Thematische Schwerpunktsetzungen. - Zielvorstellungen für Planung und Weiterentwicklung der Jugendhilfe. Der „eigentliche Planungsprozess“ - Hat einen klaren politischen Auftrag („Legitimation“). - Wird von der Planungsfachkraft koordiniert. - Wird von einem Planungsgremium begleitet. - Das Planungsgremium ist idealerweise vom JHA bestätigt. - Ist ein diskursiver Prozess. - Das Planungsgremium ist so besetzt, dass die Beschlussvorlagen auch beschlossen werden können („Legitimation“). Abbildung 6: Eigene Darstellung, angelehnt an: Schön 2022: in Wiesner et al., Kinder- und Jugendhilfe, Rn. 2.

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 10 T H EMA sationsstruktur vor Ort ab. Dabei gilt: Die Ressourcen der Planungskraft müssen an die Planungskonzeption bzw. politisch beschlossene Planungsaufträge angepasst werden – nicht umgekehrt (vgl. Oettler/Pudelko 2023: 45). Dies erfordert kommunale Klärungsprozesse über Auftrag und Organisation der örtlichen Jugendhilfeplanung. Gleichzeitig wird immer noch Bedarf gesehen, nicht nur auf kommunaler Ebene Diskurse darüber zu führen, was als „angemessene Eingruppierung und Sachmittelausstattung“ gesehen wird, sondern auch darüber, was eine „sachgerechte Wahrnehmung der Aufgabe“ auszeichnet, über welche Qualifikationen die Planungsfachkräfte verfügen müssen und welche Fortbildungsbedarfe bestehen, um diese Qualifikationen zu erlangen. Zur Klärung dieser offenen Fragen beizutragen, stand und steht daher nach wie vor im Fokus unserer Arbeit. Insgesamt betrachtet zeigen die Ergebnisse, dass die fachliche Entwicklungsaufgabe und die fachpolitische Gestaltungsaufgabe von Jugendhilfeplanung vielerorts (zumindest teilweise) wahr- und ernstgenommen werden, während mancherorts sicherlich die vom Bundes- jugendkuratorium im Jahr 2012 beklagte Marginalisierung und Profillosigkeit der Jugendhilfeplanung vorzufinden ist (vgl. BJK 2012: 14f.). Der Aufgabe als Infrastrukturgestalter und „Motor“ für kommunale Kinder- und Jugendpolitik, die über die Jugendhilfe hinausgeht (vgl. BJK 2012: 59), wird Jugendhilfeplanung in Bayern also nur zum Teil gerecht. Wir danken allen Planungsfachkräften, die an der Befragung teilgenommen und damit dazu beigetragen haben, die Planungsrealitäten in Bayern abzubilden bzw. diese im Licht der (gesetzlichen) Anforderungen zu spiegeln. Literaturverzeichnis AGJ – Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (2015): „Jugendhilfeplanung aktivieren“. Online: https://bit.ly/46R6sio [Letzter Zugriff: 25.07.2023] Bundesjugendkuratorium (2012): Neuaktivierung der Jugendhilfeplanung. Potenziale für eine kommunale Kinder- und Jugendpolitik. Online: https://bit.ly/41laRZQ [Letzter Zugriff: 25.07.2023]. Kunkel, Peter-Christian/Jan Kepert/Andreas Pattar (Hrsg.) (2022): Sozialgesetzbuch VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Lehr- und Praxiskommentar, 8. Auflage. Baden-Baden: Nomos. Merchel, Joachim (2016): Jugendhilfeplanung – Anforderungen, Profil, Umsetzung. München. Meysen, Thomas u. a.(Hrsg.) (2022): Das neue Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz. Baden-Baden. Oettler, Philipp-Emanuel/Pudelko, Julia (2023): Jugendhilfeplanung in Deutschland – Herausforderungen, Potenziale und Entwicklungstendenzen. Münster. Schön, Markus (2022): SGB VIII - § 80 Jugendhilfeplanung, Rn 1 - 40. in: Wiesner, Reinhold/Friederike Wapler (Hrsg): SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe. Kommentar. München: Beck. Tammen, Britta (2022): §80 Jugendhilfeplanung. In: Münder, Johannes/Meysen, Thomas/Trenczek, Thomas (Hrsg.): Frankfurter Kommentar SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe. 9., vollständig überarbeitete Auflage. Baden-Baden: Nomos. Wabnitz, Reinhard Joachim (2022): LPK-SGB VIII §80 Rn 17-23, in: Kunkel, Peter-Christian/Jan Kepert Andreas Pattar (Hrsg.): Sozialgesetzbuch VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Lehr- und Praxiskommentar, 8. Auflage. Baden-Baden: Nomos. L ISA KONRAD-LOHNER SABINE NIEDERMEIER

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 11 B E R I C H T E In bewährter Weise wurde zunächst über Neuigkeiten aus dem ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt berichtet, sich dann dem fachlichen Austausch untereinander gewidmet und am Nachmittag gemeinsam an einem Schwerpunktthema gearbeitet, so dass sich der Tag aus einer Mischung aus Input und anregenden Diskussionen zusammensetze. Das Schwerpunktthema der diesjährigen Regionalkonferenzen für ASD-Leitungen befasste sich mit den im November 2022 veröffentlichten fachlichen Empfehlungen zur „Umsetzung des Schutzauftrages gem. § 8a SGB VIII“, mit dem besonderen Fokus auf Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Um sich der Thematik zu nähern, wurden zunächst die wesentlichen Neuerungen der fachlichen Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrages gem. § 8a SGB VIII vorgestellt, die u. a.: • die neuen rechtlichen Anforderungen des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz an die Fachkräfte des ASD in fachliche Standards und Handlungsabläufe übersetzen, • eine Überarbeitung und Anpassung der gewichtigen Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung beinhalten, • die Bedeutung der Einbeziehung von Erziehungsberechtigten, aber auch die alters- und entwicklungsangemessene Beteiligung von Kindern und Jugendlichen betonen und • die Notwendigkeit strukturell verankerter Kooperationsbeziehungen unterstreicht. Im Anschluss daran wurde sich der Situation von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung und den besonderen Anforderungen bei der Wahrnehmung des Schutzauftrags zugewandt. Als Ausgangspunkt wurde die Grundhaltung betont, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung zunächst und in erster Linie als Kinder und Jugendliche zu sehen sind. Genauso wie Eltern von Kindern mit Behinderung zunächst einmal Eltern sind. Dementsprechend stehen Eltern von Kindern mit Behinderung dieselben Angebote, Hilfen und Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung wie allen anderen Eltern auch. Gleichermaßen haben Kinder und Jugendliche mit Behinderung dasselbe Recht auf Schutz vor Gefährdungen. Die klassischen Hilfen zur Erziehung gem. §§ 27 ff. SGB VIII stehen demnach ALLEN Eltern zu Verfügung, die einen erzieherischen Unterstützungsbedarf haben, auch Eltern mit Kindern mit Behinderung. Unabhängig davon bezieht sich der Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe gem. § 8a SGB VIII (schon immer) auf ALLE Kinder und Jugendlichen. Nachdem Kinder und Jugendliche mit Behinderung ein drei- bis viermal erhöhtes Risiko als ihre Altersgenossen1 haben, Gewalt und/oder Vernachlässigung (oft auch mehrfach) zu erfahren, wurden im nächsten Schritt die potenzielle Risikofaktoren – sowohl auf familiärer Ebene als auch kindbezogen – in den Blick genommen; z. B.: • Familien mit Kindern mit Behinderung leben häufig sozial isolierter bzw. wachsen Kinder mit Behinderung in abgeschlosseneren Systemen auf. ALLGEMEINER SOZIALER DIENST REGIONALKONFERENZEN FÜR ASD-LEITUNGEN 2023 Auch in diesem Jahr fanden von Mai bis Juli – zum zwölften Mal – die fest etablierten Regionalkonferenzen für die ASD-Leitungen in Bayern statt. Gemeinsam mit den jeweiligen Gastgebern aus den Landratsämtern Neumarkt in der Oberpfalz, Nürnberger Land, Regen, Starnberg, Würzburg, Wunsiedel im Fichtelgebirge und der Stadt Kempten nahmen 127 leitende Fachkräfte aus 81 Jugendämtern daran teil. Die jeweils zuständigen Jugendamtsleitungen oder deren Vertreterinnen und Vertreter der Veranstaltungsorte ließen es sich nicht nehmen, ebenfalls ihre Wertschätzung zu zeigen und hießen die Gäste persönlich willkommen. 1 Jones, L., Bellis, M.A., Wood, S., Hughes K., McCoy, E., Eckley, L., Bates, G., Mikton, C., Shakespeare, T., Officer, A. (2012): Prevalence and risk of violence against children with disabilities: a systematic review and meta-analysis of observational studies. In: The Lancet 380(9845), p. 899-907.

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 12 B E R I C H T E • Soziale Netzwerke der Eltern bestehen häufig nicht bzw. nur eingeschränkt zu Verfügung, es fehlen Kraftreserven, aber auch Zeit, sich ggf. die notwendige Unterstützung in einem unübersichtlichen Hilfesystem zu holen. • Gleichzeitig nehmen Stress und Sorgen um die Zukunft des Kindes, ungewisse Zukunftsaussichten und deren Auswirkungen auf die familiäre Situation zu. • Herausfordernde Verhaltensweisen und „schwierigeres“ Temperament der Kinder trifft auf ggf. erschöpfte und überforderte Eltern und kann in gewalttätigen Erziehungsmethoden münden. • Behinderungsbezogene Diskriminierung kann das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen mindern und damit einhergehend auch deren Widerstandskräfte gegenüber „Täterinnen und Tätern“. • Für einige Kinder gehören „Grenzverletzungen“ (z. B. bei der Intimpflege) zum Alltag. Teilweise verfügen sie selbst auch über kein altersentsprechendes Nähe- und Distanzverhalten. Es ist für sie dann oft schwer, ein Verhalten als Übergriff oder Gewalt einzuschätzen und entsprechend zu verbalisieren. • Wegen fehlender Präventions- und Informationsangebote für Kinder und Jugendliche mit Behinderung verfügen diese vielfach nicht über Kompetenzen, Risiken zu identifizieren und ihnen aus dem Weg zu gehen. Zu diesen Risikofaktoren kommt zusätzlich dazu, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung oft vor hohen Hürden stehen, sich in (potenziellen) Gefährdungs- situationen anderen anzuvertrauen. Sei es aufgrund fehlender Sprachlichkeit, einer höheren Angewiesenheit auf bzw. Abhängigkeit von Bezugspersonen oder auch weil sie isolierter bzw. in sich geschlossenen Systemen aufwachsen. In der Diskussion darüber, welche spezifischen Anforderungen der Schutzauftrag für Kinder und Jugendliche mit Behinderung an die Kinder- und Jugendhilfe stellt, bestand Einigkeit unter den Teilnehmenden, dass auch hier das allgemeine Grundraster zum Vorgehen bei der Wahrnehmung gewichtiger Anhaltspunkte gültig ist. Die Frage, die sich dann aber aufdrängt: Worin liegen die Schwierigkeiten bzw. was ist das Spezifische bei der Wahrnehmung des Schutzauftrages für Kinder und Jugendliche mit Behinderung? Dazu wurden im gemeinsamen Austausch folgende Hypothesen zu Herausforderungen bei der Wahrnehmung des Schutzauftrags für Kinder und Jugendliche mit Behinderung formuliert: • Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdung frühzeitig zu erkennen bzw. mitgeteilt zu bekommen. • Behinderungsbedingte Auffälligkeiten von Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung zu unterscheiden. • Fehllaufende Anpassungsprozesse der Eltern an die Behinderung ihres Kindes als Gefährdungsform zu erkennen sowie Auswirkungen behinderungsspezifischer Gewalt einzuschätzen. • Bei unterschiedlichen Behinderungsformen die spezifischen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen einzuschätzen bzw. zu beurteilen, inwiefern behinderungsbedingte Bedarfe im Kontext anderer Lebensbedingungen ggf. zu Gefährdungslagen beitragen (können). In der Diskussion darüber, welche spezifischen Anforderungen der Schutzauftrag für Kinder und Jugendliche mit Behinderung an die Kinder- und Jugendhilfe stellt, bestand Einigkeit unter den Teilnehmenden, dass auch hier das allgemeine Grundraster zum Vorgehen bei der Wahrnehmung gewichtiger Anhaltspunkte gültig ist. Gefährdungseinschätzung • Worin bestehen die besonderen Bedürfnisse des Kindes bzw. Jugendlichen? • Was tun die Eltern Schädliches? Was unterlassen die Eltern an Notwendigem? • Welche schädlichen Folgen beim Kind bzw. beim Jugendlichen sind bereits sichtbar oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten? • Gesamtbewertung? Liegt eine Gefährdung vor? Gefährdungsabwendung • Wie gravierend erscheint die Gefährdung zu sein bzw. wie dringend sind welche Schutzmaßnahmen einzuleiten? • Sind die Erziehungsberechtigten in der Lage und bereit, die Gefährdung zu erkennen und (ggf. mit Unterstützung bzw. geeigneten Hilfen) abzuwenden? • Welche Maßnahmen zur Abwendung der Gefährdung sind notwendig und geeignet? • Wie und in welchen Zeitfenstern erfolgt die Kontrolle zur Wirksamkeit der Maßnahmen? Abbildung 1: Grundraster zum Vorgehen bei der Wahrnehmung gewichtiger Anhaltspunkte. Bild: Abbildung 1: Grundraster zum Vorgehen bei der Wahrnehmung gewichtiger Anhaltspunkte. ZBFS-BLJA zunächst mit dem Minderjährigen und dessen Erziehungsberechtigten zu erörtern und ggf. auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinzuwirken. Erst wenn die Abwendung einer

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 13 B E R I C H T E • Die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung verständlich, nachvollziehbar und wahrnehmbar zu gestalten. • Für die Abwendung einer (drohenden) Kindeswohlgefährdung systemübergreifend passgenaue Schutzpläne zu entwickeln (inkl. der Klärung von Zuständigkeiten). • Passende Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten sowie für vorläufige Schutzmaßnahmen geeignete Inobhutnahmeplätze zur Verfügung zu haben. Abschließend wurden gemeinsam Strategien gesammelt, um den vorgenannten Herausforderungen zu begegnen. Einige dieser Ideen sind bereits in einzelnen Jugendämtern umgesetzt und haben sich als hilfreiche Praxis etabliert. Insbesondere wurde die Intensivierung der strukturellen Kooperation mit Einrichtungen, Diensten und Trägern der Eingliederungshilfe, aber auch dem medizinisch-therapeutischen Bereich hervorgehoben, z. B. zum Austausch über Besonderheiten von Kindern mit Behinderung und deren Familien, Schulungen zu Anhaltspunkten und Standards im Vorgehen bei Kindeswohlgefährdung. Darüber hinaus wurde ein Lösungsansatz darin gesehen, an bestehenden Schnittstellen bspw. im Kontext KoKi-Netzwerk Frühe Hilfen, aber auch mit Fachdiensten und Einrichtungen der Eingliederungshilfe oder den zukünftigen Verfahrenslotsen Klärungs- und Abstimmungsprozesse zu initiieren. Neben der Bearbeitung des Schwerpunktthemas konnten im Rahmen des gemeinsamen Austausches weitere wichtige Fragestellungen behandelt werden. Dabei ergaben sich im Vergleich der Themen zu den Vorjahren kaum Veränderungen. Nach wie vor beschäftigen die Jugendämter • die beständige hohe personelle Fluktuation im ASD, die Mitarbeitergewinnung und die Einarbeitung neuer Mitarbeitender, • die oftmals schwierige Zusammenarbeit mit Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern wie den Kinder- und Jugendpsychiatrien, • die zunehmend fehlenden Plätze v. a. im Bereich der Inobhutnahmen und stationären Maßnahmen und die daraus resultierenden Schwierigkeiten für die Fachkräfte der Jugendämter. Auch wenn das Schwerpunktthema sich in diesem Jahr nicht an der 28. Gesamtbayrischen Jugendamtsleitungstagung (JALT), die im April 2023 unter dem Thema „Kinder- und Jugendhilfe ist endlich! Die Vielfalt der Anforderungen aus Politik und Gesellschaft an ein gestresstes System“ stattfand, orientierte, wurde das Thema diverse Male aufgegriffen. Sei es im Kontext des Fachkräftebedarfs sowohl bei den öffentlichen als auch freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch vor dem Hintergrund von (fehlenden) Angebotsstrukturen beispielsweise bei Inobhutnahmeplätzen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung. In diesem Zusammenhang muss noch einmal auf die Gesamt- und Planungsverantwortung der örtlichen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe gem. §§ 79, 80 SGB VIII hingewiesen werden, ein ausreichendes und v. a. bedarfsdeckendes Angebot zu Verfügung zu stellen. Die örtlichen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe stehen gem. § 3 Abs. 3 SGB VIII in der Gewährungsleistungsverpflichtung, dass die „anderen Aufgaben der Jugendhilfe“ (hier vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII) wahrgenommen werden. Der örtliche Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe soll gem. § 4 Abs. 2 SGB VIII von eigenen Maßnahmen absehen, sofern geeignete Einrichtungen von anerkannten Trägern der freien Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können. Aufgrund seiner Gewährleistungsverpflichtung und Planungsverantwortung ist der örtliche Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe – sofern es in Kooperation mit freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe nicht gelingt, Angebote zu schaffen – in der Verantwortung, Versorgungslücken beispielsweise durch die Schaffung eigener Einrichtungen zu schließen. Dabei ist es durchaus vorstellbar, dass sich mehrere örtliche Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe zusammenschließen, um gemeinsam eine Einrichtung zu errichten (vgl. § 69 Abs. 4 SGB VIII). Abschließend an dieser Stelle noch ein herzliches Dankeschön vom ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt an die diesjährigen Gastgeber, welche die Veranstaltungen ermöglicht und zum wesentlichen Gelingen beigetragen haben. Anknüpfend daran auch vielen Dank an die Teilnehmenden, die ihre Konferenzen mit den angeregten Beiträgen und Diskussionen belebten. In diesem Sinne steigt bereits die Vorfreude auf die Regionalkonferenzen im kommenden Jahr, für die die gastgebenden Standorte bereits feststehen. MA R I E FINGERHUT

MITTEILUNGSBLATT 04-2023 14 JUGENDSOZIALARBEIT AN SCHULEN Dies hat sich deutlich in den Anmeldezahlen widergespiegelt: Nachdem die Anzahl an Plätzen für Teilnehmende auf das räumliche Maximum von 200 Personen angehoben wurde, war es leider immer noch nicht möglich, alle der fast 400 Anmeldungen und Anfragen berücksichtigen zu können. Dies zeigt das große Interesse der JaS- und Lehrkräfte an der Thematik im speziellen und am Austausch generell. Der Fachtag beschäftigte sich hierbei mit den individuellen Problemlagen junger Menschen. Oft stehen die Fachkräfte in der Praxis vor der Herausforderung, dass das als „herausfordernd“ erlebte Verhalten der Zielgruppe nur ein Symptom einer tieferliegenden Problematik ist. Um die Fachkräfte beim Umgang mit dieser Problematik zu unterstützen, die oft versteckten Ursachen dieser Verhaltensweisen darzulegen, Aufmerksamkeit für die entsprechenden Themenbereiche zu schaffen sowie den Fachkräften alltagsorientierte Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wurde am Fachtag ein vielschichtiges Programm angeboten. Der Fachtag begann mit einer Keynote, in welcher eine systemische Sichtweise auf Kinder und Jugendliche vorgeschlagen wurde. Ziel war es, den Beratenden eine lösungsorientierte Grundhaltung näherzubringen, welche als Grundlage für die konkreten Lösungs- und Handlungsmuster dienen kann, die in den nachfolgenden Workshops vorgestellt und diskutiert wurden. Vor den Workshops hatten die Teilnehmenden in Infoforen die Möglichkeit, sich über Hilfsangebote des ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt, der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS), der Schulberatungsstelle und Schulpsychologie, der Schulsozialpädagogik sowie des Allgemeinen Sozialdienstes zu informieren und auszutauschen. Anschließend fanden insgesamt 16 Workshops zu den folgenden Themen statt: • Systemische Autorität – eine Frage der Haltung, • Handlungsansätze im Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen, • Traumatisierte Kinder und Jugendliche, • Umgang mit aggressiven Kindern und Jugendlichen, • Schwierige Gesprächssituationen mit Hilfe von Visualisierung meistern, • Konfliktprävention, • Depression bei Kindern und Jugendlichen, • Kinder und Jugendliche mit straffälligen Eltern. Erfreulich war, dass im Nachgang viel positives Feedback zum Fachtag, der Keynote, den Referierenden und den Workshops eingegangen ist. Der nächste Fachtag findet am 25.10.2024 in Dillingen an der Donau zum Thema „Ein Dach – viele Akteure. Vernetztes Arbeiten im Kontext Schule“ statt. Die Anmeldung erfolgt über FIBS https://fibs.alp.dillingen.de/ und wird voraussichtlich ab Ende November möglich sein. Am 04.10.2023 fand der diesjährige JaS-Fachtag zum Thema „Das Kind als Problem?!“ in Nürnberg statt. Nach zwei Jahren der Online-Durchführung aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen war es dieses Jahr wieder möglich, einen Fachtag im Präsenzformat anzubieten. JAS-FACHTAG 2023 O L I V E R DANN E R B E R I C H T E

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